Decolonize your brain!

Posted: November 12th, 2019 | Author: | Filed under: Digitales Flugblatt | Comments Off on Decolonize your brain!

Anlässlich der  Veranstaltung “DECOLONIZE CHOCOLATE” (Stern/Weltladen) wurde der folgende Flyer verteilt:

Decolonize your brain!

Radikale Kritik statt politisch korrekte Ausbeutung

Es klingt wie die ultimative Erlösung: Man identifiziert und ächtet die Schurken, die finsteren Gestalten aus dem Hinterzimmer, die Strippenzieher, die Großkonzerne, die die Geschicke dieser Welt lenken und ersetzt sie durch moderne Startups. Konsumiert werden soll in Zukunft fair, lokal oder aus kleinen heilen Familienbetrieben. Ansonsten ist knallharter Verzicht angesagt und wer sich dem entzieht, der macht sich mitschuldig an Ausbeutung und Unterdrückung. Beispielsweise auch diejenigen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht zum trendigen Hipster-Produkt greifen können. Die Fehleinschätzungen, die diesem Aktionismus des “kritischen” Konsums – der sich selbst gerne als Kapitalismuskritik verkaufen möchte – zugrunde liegen, sitzen tief und tragen nicht im geringsten dazu bei, die Zustände zu begreifen, die uns zu Sklaven von Verhältnissen machen, in denen nicht die Bedürfnisse der Menschen eine Rolle spielen, sondern einzig und allein die Zirkulation von Kapital. Nein, viel mehr wird drohend die Moralkeule erhoben.

Die Sache mit der Ausbeutung…

Mit Ausbeutung meint Marx nicht besonders schlimme Zustände, schlechte Bezahlung, oder Ähnliches, sondern das “ganz normale” Verhältnis zwischen Arbeigeber und denjenigen, die gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Dass eine unterdurchschnittliche Bezahlung selbst den Interessen von Arbeitgebern entgegen laufen kann, liegt auf der Hand: Hungrige Angestellte arbeiten schlecht oder revoltieren am Ende gegen diese Behandlung. So verwundert es nicht, dass sich der Kapitalismus zur Zeit als möglichst fair – inklusive flacher Hirarchien -, als smartes Startup-Unternehmen darstellt. Doch an der Grundstruktur hat sich Nichts geändert. Zugegeben: Die Schwierigkeit, die aus einer realistischen Betrachtung der Verhältnisse erwächst, besteht auch darin soziale Verbesserungen durch die kapitalistische Produktionsweise anzuerkennen, ohne sich mit einem System gemein zu machen, dessen Fundament die Umverteilung von gesellschaftlichen Reichtum in die Hände Weniger ist.

Enteignung der Arbeiter

Doch wie geht sie von statten, diese Umverteilung, die eben nicht mit fröhlichen, oder besser bezahlten Angestellten, sowie lockeren, verständnisvollen Chefs – die man sogar duzen darf – aus der Welt geschafft ist? In der Marxschen Analyse ist einer der zentralen Begriffe der Mehrwert. Beim Mehrwert handelt es sich – vereinfacht gesagt – um den “Überschuss”, der dem Investor bleibt, sobald Produktions- und Materialkosten, sowie Löhne beglichen wurden. Im Kapitalismus scheint es, als würde es sich dabei um eine – fast magische – Eigenschaft von Geldmassen handeln sich zu vermehren, obwohl sie tatsächlich auf den Tätigkeiten beruht, die von uns tagtäglich an Fließbändern, am Computer oder als Dienstleistung ausgeführt werden. Das, was wir verdienen, entspricht nicht, auch wenn es so erscheint, dem was wir erwirtschaften. Dem zugrunde liegt aber keine bösartige Absicht, keine individuelle Moralvorstellung – es handelt sich um die Funktionsweise dieses Systems.

Religiöse Abstinenz oder das schöne Leben?

Doch, wenn es auch als wiederkehrendes Mantra aus allen Gesellschaftsschichten erklingt, handelt es sich beim Kapitalismus nicht um etwas, das in der Natur des Menschen angelegt ist. Und selbst wenn es so wäre, beweist die menschliche Zivilisation eindrucksvoll, dass sie fähig ist die Brutalität des “survival of the fittest” hinter sich zu lassen. Warum also nicht ein destruktives Wirtschaftssystem? Die Macht der Märkte und des Geldes fußt auf dem kollektiven Glauben an sie. Die Werte der Waren, die gehandelt werden, sind kein Naturzustand, sondern entstehen erst durch gesellschaftliche Zusammenhänge. Dementsprechend gilt es dies alles hinter sich zu lassen. Kapital, Wert und den Tausch an sich. Abgelöst werden muss der Kapitalismus durch ein Wirtschaftssystem, das sich an den Bedürfnissen der Menschen und dem individuellen Glück des Einzelnen orientiert, ohne hinter die Errungenschaften des Bestehenden zurückzufallen.

Werdet unbequem – Lest Marx!

randzeilen, November 2019


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